Beratungswerkstatt: Wie Unternehmen Beschäftigten mit Pflegeaufgaben gute Bedingungen ermöglichen

Beratungswerkstatt: Wie Unternehmen Beschäftigten mit Pflegeaufgaben gute Bedingungen ermöglichen

Immer mehr Beschäftigte stehen vor der Herausforderung, Pflege und Beruf vereinbaren zu müssen. Wie können Arbeitgeber sie bei der Vereinbarkeit von Beruf und Pflege unterstützen? Das war Thema einer Beratungswerkstatt, die Jürgen Griesbeck für den Familienpakt Bayern durchführte.

Pflegebedürftigkeit tritt oft plötzlich ein, ihre Dauer ist schwer vorhersehbar und der Umfang der Pflege kann stark variieren. Oft müssen Pflegende ihre Berufstätigkeit einschränken und sind einer großen Doppelbelastung ausgesetzt. Fehlzeiten, „innere Abwesenheit" am Arbeitsplatz können Folgen sein. Arbeitgeber gefordert, in diesen Situationen flexibel zu reagieren.

Die demografische Entwicklung lässt die Zahl pflegebedürftiger älterer Menschen schnell wachsen. Zur Angehörigenpflege zählen neben der Elterngeneration auch die Betreuung eines pflegebedürftigen Kindes oder die Fürsorge innerhalb einer Ehe- bzw. Lebenspartnerschaft. 80 Prozent der Pflegebedürftigen werden dabei im privaten Umfeld durch Angehörige und ambulante Pflegedienste versorgt.

Seite an Seite dem Alter begegnen

Wie können Arbeitgeber über die rechtlichen Leistungen hinaus aktiv werden? Wie können sie ihre Beschäftigten bei der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf bedarfsgerecht unterstützen? Wie lassen sich Folgekosten für Unternehmen und Betriebe vermeiden? Nach einer kurzen Hinführung zum Thema wurden in der Beratungswerkstatt zwei Fallbeispiele besprochen. Im Rahmen der kollegialen Beratung erarbeiteten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gemeinsam Lösungsvorschläge.

 

Wir stellen die Beispiele und Lösungsvorschläge noch einmal für Sie zusammen:

Beispiel 1: Zeitproblem zum Arbeitsbeginn

Ein Mitarbeiter muss morgens um 8:00 Uhr zum Schichtwechsel in der Arbeit sein. Er pflegt seine Mutter, die bei ihm im Haus wohnt. Er kann das Haus erst verlassen, wenn der Ambulante Dienst den morgendlichen Besuch bei ihr absolviert hat. Immer wieder verspätet sich der Ambulante Dienst, somit kommt auch der Mitarbeiter nicht pünktlich zur Arbeit. Er ist im wahrsten Sinne hin- und hergerissen, weil er immer eine Seite enttäuscht.

Die Gruppe erarbeitete unter anderem folgende Lösungsvorschläge:

Unterstützung im Team

Unterstützung durch die Führungskraft

  • Mitarbeiter fragen, welche Lösung er sich vorstellen kann
  • Anderes Einsatzgebiet für den Mitarbeiter eruieren
  • Gegenpart im Team finden (jemand arbeitet regelmäßig länger, damit der Betroffene regelmäßig später kommen kann)
  • Sonderregelung konzipieren und mit dem Team besprechen
  • Morgendliche Entlastung durch eine private Person (Seniorenbetreuerin) anregen oder ggf. vermitteln; evtentuell zusätzlich eine finanzielle Unterstützung durch das Unternehmen prüfen

Unterstützung durch Unternehmen

  • Fragen zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf standardmäßig im Mitarbeitergespräch ansprechen, um die Relevanz des Themas zu erkennen
  • Fall zum Anlass für eine (anonyme) Mitarbeiterbefragung nehmen (Gibt es vergleichbare Fälle? Wie hoch ist der Bedarf? Wern benötigt welche Unterstütung?)
  • Weiterbildungen bzw. Vorträge zu Pflegethemen anbieten
  • Informationen und Kontakte zu Beratungsstellen sowie Expertinnen und Experten zusammentragen und bspw. in einer „Pflegemappe“ zusammenstellen
  • Thema Pflege von Angehörigen aus der Tabuzone holen und Informationen im Intranet, über Newsletter etc. zur Verfügung stellen
  • Pflegelotsen ausbilden, die niedrigschwellig helfen können

 

Beispiel 2: Belastung einer Führungskraft nach Unfall des Sohnes

Der 25jährige Sohn einer Führungskraft wird bei der Feier anlässlich seines Masterabschlusses bei einer Mutprobe so schwer verletzt, dass er im Wachkoma liegt. Er wird nie mehr in seine ursprüngliche Autonomie zurückfinden. Es sind viele Gesprächen mit Ärzten erforderlich, außerdem muss die Anschlussbehandlungen (REHA, Pflegeeinrichtung) geplant werden. Daneben braucht die Führungskraft viel Zeit für Besuche im Krankenhaus. Hinzu kommt die psychische Belastung der gesamten Familie.

Die Gruppe erarbeitete unter anderem folgende Lösungsvorschläge:

Team informieren

  • Durch Teamgespräche Transparenz erzeugen
  • Für die Situation der Führungskraft sensibilisieren und an die Solidarität appellieren

Führungskraft der Führungskraft

  • Evtl. Krankschreibung oder Sabbatical vorschlagen
  • Vertretungslösung schaffen – kurzfristige Interrimslösung, mittelfristig ggf. Doppelspitze, Führung in Teilzeit
  • Auswirkung auf Team besprechen und Maßnahmen ableiten (Reibungsverluste vermeiden, offene Kommunikation)
  • Hilfe bei der Recherche nach Beratungsstellen, Einrichtungen, Hilfsmitteln anbieten
  • Ggf. über externe Dienstleister Entlastung schaffen (Beratung und/oder andere Unterstützungsleistungen)
  • Ggf. finanzielle Hilfen für die Familie anbieten
  • Sonderurlaub genehmigen oder über den rechtlichen Rahmen hinaus eine Freistellung gewähren

 

Was ist eine Beratungswerkstatt?

Die Beratungswerkstatt ist kein Vortrag, sondern ein innovativer Methodenmix aus Impulsvortrag und moderiertem Austausch. Der Familienpakt Bayern bietet dieses Format zum Wissenstransfer und Netzwerken seit Juni 2020 an. Eine Beratungswerkstatt lebt davon, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sich einbringen, von ihren Herausforderungen berichten und sich gegenseitig beraten. Das Format ist interaktiv und lehnt sich an die Methode der kollegialen Beratung an. Hier sind die Ideen und Erfahrungen aller Beteiligten gefragt.

 

Weitere Informationen:

089 / 5790-6280 Schreiben Sie uns Was suchen Sie? Vernetzen wir uns Interner Bereich