Macht die Vereinbarkeit von Beruf und Familie Arbeitgeber attraktiver?

Macht die Vereinbarkeit von Beruf und Familie Arbeitgeber attraktiver?

In Zeiten des akuten Fachkräftemangels wird zunehmend thematisiert, was Unternehmen und Betriebe konkret tun können, um den benötigten Nachwuchs an Fachkräften in Zukunft zu finden und diese langfristig an sich zu binden. Bei der Arbeitgeberwahl stellt sich vor allem das Image eines Unternehmens oder Betriebs und somit dessen Attraktivität häufig als ein wesentlicher Entscheidungsfaktor für Bewerberinnen und Bewerber heraus.

Je nach Berufsfeld und Zeitalter können die Faktoren, welche einen Arbeitgeber in den Augen der Bewerberinnen und Bewerben attraktiv erscheinen lassen, stark variieren. Beispielsweise liegt der Fokus der sogenannten Generation Z neben herkömmlichen Kriterien, wie Vergütung, Aufstiegschancen und persönliche Identifikation, auf anderen Faktoren: Für junge Bewerberinnen und Bewerber spielen vor allem Flexibilität hinsichtlich Arbeitszeit und -ort, die Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf sowie die Arbeitsatmosphäre eine tragende Rolle bei der Berufswahl. Was kann man als Arbeitgeber also tun, damit sich Bewerberinnen und Bewerber für den eigenen Betrieb entscheiden?

Anja Quednau ist in ihrer Untersuchung über „Die Relevanz der Vereinbarkeit von Beruf und Familie für die Arbeitgeberattraktivität" genau dieser Frage nachgegangen: Der Autorin kommt es dabei auf die ersten Stufen eines Bewerbungsprozesses an, konkret auf die Arbeitgeberattraktivität als grundlegende Voraussetzung für das Interesse einer Bewerberin oder eines Bewerbers an einem Unternehmen sowie auf die Bewerbungsabsicht, die durch intensives Suchen und aktive Kontaktaufnahme gekennzeichnet ist. In diesen Phasen des externen Personalmarketings bzw. „Recruitings“ analysiert sie den Einfluss der Familienfreundlichkeit von Unternehmen auf die Arbeitgeberattraktivität und Bewerbungsneigung sowie den Stellenwert dieser Kriterien innerhalb anderer Personalmarketinginstrumente.

Dazu stellte Quednau in ihrer Arbeit mehrere Annahmen auf, die sie im Rahmen von zwei experimentellen Untersuchungen überprüfte: Konkret fragte sie sich z.B., ob es richtig ist, dass

  • Bewerberinnen und Bewerber, die persönlich von einem familienfreundlichen Angebot profitieren würden, diesen Arbeitgeber auch attraktiver finden, oder
  • Bewerberinnen und Bewerber unabhängig von deren familiären Situation familienfreundliche Unternehmen schätzen, da sie mit diesen ein hohes Maß an Mitarbeiterorientierung und personeller Wertschätzung assoziieren, oder
  • Bewerberinnen und Bewerber betriebliche Familienfreundlichkeit als Zeichen für bestimmte soziale und faire Werte deuten, die ein Unternehmen vertritt und lebt, und die dessen Eignung als potenzieller Arbeitgeber steigern.

Einerseits hat die Überprüfung in der Praxis ergeben, dass ein Effekt von Familienfreundlichkeit auf die Arbeitgeberattraktivität bzw. die Bewerbungsneigung festzustellen ist und hat erwiesen, durch welche Merkmale der Bewerberinnen und Bewerber ein solcher Effekt verstärkt oder gemindert wird. Zudem zeigte sich, welche Bedeutung die Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Verhältnis zu anderen Instrumenten im Rahmen eines Rekrutierungsprozesses hat.

Fünf zentrale Erkenntnisse konnte die Studie herausarbeiten:

Erkennbar familienfreundliche Unternehmen und Betriebe werden von Bewerberinnen und Bewerbern als attraktive Arbeitsgeber wahrgenommen und haben so einen Vorteil gegenüber denjenigen Unternehmen, die keine Vereinbarkeitsmaßnahmen anbieten bzw. deren Familienfreundlichkeit nicht klar ersichtlich ist, z.B. in Stellenanzeigen.

Familienfreundliche Unternehmen und Betriebe sind nicht nur, wie häufig angenommen, für Bewerberinnen und Bewerber mit Familie interessant. Vielmehr gilt betriebliche Familienfreundlichkeit auf Bewerberseite generell als positives Signal, das für allgemeine Mitarbeiterorientierung und soziale Werte des Unternehmens steht. So gehen Bewerberinnen und Bewerber tendenziell davon aus, dass familienfreundliche Unternehmen den Mitarbeitern vielfältige Unterstützung in verschiedenen Situationen anbieten und soziale Werte hochhalten. Viele Bewerberinnen und Bewerber können sich damit identifizieren.

Obwohl Familienfreundlichkeit bei der Arbeitsgeberwahl besonders relevant für Bewerber mit familiären Verpflichtungen ist, zeigen Vereinbarkeitsbemühungen von Unternehmen auch positive Wirkung auf Bewerber, die sich noch nicht in einer Familiengründungsphase oder aktiven Familienphase befinden.

Beispielsweise zeigt die Studie, dass in der Altersgruppe der 16-45 Jährigen die Familienfreundlichkeit einen höheren Stellenwert einnimmt, als bei der Altersgruppe der über 45-Jährigen, obwohl für einen Teil der jüngeren Altersgruppe noch keine eigene Familienverantwortung anzunehmen ist. So ist davon auszugehen, dass Bewerber mit betrieblicher Familienfreundlichkeit einen generellen Nutzen verbinden.

Auch im Hinblick auf andere Personalmarketinginstrumente nimmt die betriebliche Familienfreundlichkeit immerhin einen mittleren Stellenwert ein. Je nach Altersgruppe der Befragten haben die Kriterien zwar eine leicht unterschiedlich starke Ausprägung, an vorderster Stelle stehen jedoch das Gehalt, der Unternehmensstandort und die Arbeitsplatzsicherheit. Danach folgen in der Bedeutungsskala schon die Passung des Unternehmens, die Familienfreundlichkeit sowie die Entwicklungsmöglichkeiten. Weniger wichtig waren den befragten Bewerbern die Aufgaben, die Aufstiegsmöglichkeiten sowie erworbene Gütesiegel des Unternehmens.

Auch dies zeigt die Studie: Investitionen in Familienfreundlichkeit lohnen sich. So müssen beispielsweise Arbeitgeber, um den negativen Nutzen niedriger Familienfreundlichkeit für Bewerber auszugleichen ca. 13% mehr Gehalt zahlen oder anders herum bei hoher Familienfreundlichkeit ca. 9,5% weniger Gehalt zahlen. Das sind bei einem Jahresbruttogehalt von 44.500€ rund 5.800€ Gehaltsaufschlag bzw. rund 4.200€ Ersparnis für das Unternehmen. Auch verringern sich langwierige Such- und Rekrutierungskosten nach neuen Mitarbeitern durch eine erhöhte Arbeitgeberattraktivität. Betrachtet man dazu im Verhältnis die Kosten, die familienfreundliche Maßnahmen im Unternehmen hervorrufen, bleibt immer noch ein wesentlicher Kostenvorteil für familienfreundliche Unternehmen bestehen. So gaben lt. berufundfamilie-Index sehr familienfreundliche Arbeitgeber im Jahr 2011 je Mitarbeiter rund 270€ aus, wenig familienfreundliche Betriebe hingeben immerhin noch rund 235€. Dieser geringe Unterschied wird durch die verschiedenen Einsparmöglichkeiten leicht aufgewogen.

Interessant an Studien, deren Forschungsrahmen nun mal begrenzt ist, ist auch die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere Fragestellungen. Die Autorin weist drauf hin, dass aufgrund mangelnder Informationen im Bewerbungsprozess Bewerber häufig von sichtbaren Eigenschaften des Unternehmens auf ihnen noch unbekannte Merkmale schließen, um für sich so ein vollständigeres Bild des Unternehmens zu erhalten. Betriebe sollten sich daher im Klaren darüber sein, dass eine sichtbare Vereinbarkeit von Beruf und Familie von den Bewerbern als Signal für andere Werte verstanden werden kann, die dieser Zielgruppe wichtig sind. Vor dem Hintergrund eines sich weiter zuspitzenden Fachkräftemangels ist daher davon auszugehen, dass sich Unternehmen und Betriebe zukünftig noch mehr mit den Bedürfnissen ihrer Bewerber und Mitarbeiter auseinandersetzen und ein passendes Angebot vorhalten müssen. So ist anzunehmen, dass die betriebliche Familienfreundlichkeit und deren Sichtbarkeit weiter an Bedeutung gewinnen wird.

Quellen:

Anja Quedau: Die Relevanz der Vereinbarkeit von Beruf und Familie für die Arbeitgeberattraktivität", 1. Auflage, 2019 / Steinbeis-Edition, Stuttgart

 

 

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