Vereinbarkeit von Familie und Beruf als Beitrag zur Fachkräftesicherung

Vereinbarkeit von Familie und Beruf als Beitrag zur Fachkräftesicherung

Der Fachkräftemarkt braucht gut qualifizierte Frauen und Männer. Die Fürsorgeverantwortung in Familien darf dafür kein Hemmnis sein.

Wir stellen im Folgenden die zentralen Thesen und Erkenntnisse aus dem aktuellen „Policy Paper“ der Prognos AG vor, das im Auftrag des Bundesfamilienministeriums entstanden ist. Team: Nina Altmann, Markus Hoch, Dr. Dagmar Weßler-Poßberg

 

Ausgangslage

Beim beruflichen Qualifikationsniveau haben die Frauen zu den Männern fast aufgeschlossen und in der akademischen Bildung die Männer zum Teil sogar überholt. Viele Frauen und Männer sind also bestens qualifiziert und die Erwerbsquote der Frauen hat sich der der Männer angenähert. Ein Blick auf das Erwerbsvolumen zeigt jedoch, dass insbesondere die überwiegend in Teilzeitform stattfindende Müttererwerbstätigkeit noch viel Potenzial bietet, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Vereinbarkeit darf sich jedoch nicht nur an Frauen und Mütter richten, sondern muss auch Männer und Väter adressieren und eine partnerschaftliche Arbeitsteilung von Müttern und Vätern ermöglichen. Dann kann das ganze Fachkräftepotenzial gehoben werden – zumal die junge Generation beides will – Familie und Beruf.

Trotz der Energiekrise und dem prognostizierten Konjunkturabschwung gibt es keine Hinweise auf eine langfristige Abschwächung des Fachkräftemangels. Weiterhin gilt, dass der Fachkräftemangel das Wirtschaftswachstum branchenübergreifend hemmt. Insbesondere in Branchen wie dem Handwerk, unter IT- und Technikfachkräften, in der Energiebranche sowie in der Pflege zeigen sich Engpässe.

Vereinbarkeit ist eine übergreifende und langfristig sehr wichtige Fachkräftestrategie. Sie verbessert die operative Flexibilität, führt zu einem besseren Reaktionsvermögen, geringeren Krankheits- und Fehlzeiten und niedrigeren Personalrekrutierungskosten.

 

Mehrwert für die Arbeitgeberattraktivität

Für die Gewinnung und Bindung von Fachkräften ist die Gestaltung vielseitiger Vereinbarkeitsarrangements, mit flexiblen Arbeitszeiten und ergänzenden Angeboten für die Unterstützung der Kinderbetreuung oder Pflege von Angehörigen, zielführend.

Vereinbarkeit ist für Mütter und Väter ein wichtiges Merkmal der Arbeitgeberattraktivität. Auch junge Beschäftigte denken bei der Arbeitgeberwahl schon an eine zukünftige Familiensituation. Die Fachkräftebindung durch Vereinbarkeit gewinnt im Kontext der COVID-19-Pandemie und der damit einhergehenden hohen Wechselbereitschaft der Fachkräfte an Bedeutung.

Teilzeitstrukturen sind als alleinige Vereinbarkeitsmaßnahmen für Unternehmen und für Beschäftigte jedoch risikoreich und werden als nicht zielführend angesehen. In konjunkturellen Schwankungen droht in teilzeitdominierten Branchen eine schnellere Entlassung der Fachkräfte, die in Erholungsphasen wieder zurückgewonnen werden müssen. Fehlende flexible Wechselmöglichkeiten zwischen Teilzeit- und Vollzeittätigkeiten sind für junge Frauen und Männer unattraktiv.

 

Potenziale heben: Erwerbstätigkeit von Frauen gezielt fördern

Die Vereinbarkeit von Vätern ist existenziell, damit die von vielen Elternpaaren gewünschte partnerschaftliche Arbeitsteilung realisiert werden kann. Ziel ist, dass Mütter mehr Freiraum für eine umfassendere Erwerbstätigkeit haben und ihr Fachkräftepotenzial gehoben werden kann.

Der Schlüssel zur Begegnung des Fachkräftemangels bzw. zur Unterstützung der Fachkräftesicherung liegt vor allem in der Erhöhung des Arbeitszeitvolumens von Frauen bzw. der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von Müttern:

  • Das Potenzial, wenn zurzeit nichterwerbstätige Mütter mit Kindern unter sechs Jahren entsprechend den Arbeitswünschen aus der familienbedingten Erwerbspause mindestens in Teilzeit wieder in den Arbeitsmarkt einsteigen, umfasst knapp 840.000 Personen mehr im Arbeitsmarkt.
  • Von den insgesamt 5,3 Mio. erwerbstätigen Müttern mit Kind unter 18 Jahren arbeiten etwa 2,5 Mio. weniger als 28 Stunden die Woche. Würden diese Mütter ihre Erwerbstätigkeit durch gute Vereinbarkeit allein jeweils um eine Stunde erhöhen, wären dies 2,5 Mio. Wochenstunden an zusätzlicher Arbeitszeit – das entspricht bei einer 36 Stunden Woche 71.000 Vollzeitäquivalenten.
  • Ein Blick auf die bereits in Teilzeit beschäftigten Mütter zeigt, dass eine bessere Vereinbarkeit dabei helfen kann, mehr Mütter in eine vollzeitnahe Tätigkeit zu bringen. Im Jahr 2019 gaben mehr als drei Viertel der in Teilzeit erwerbstätigen Mütter (77,7 Prozent) als Grund hierfür die familiäre Betreuung und familiäre Verpflichtungen an – bei den Vätern waren dies nur 34,1 Prozent. Dabei sind natürlich auch Einflüsse traditioneller Rollenbilder oder des Erwerbseinkommen des Partners in Paarhaushalten zu berücksichtigen. Es zeigt sich jedoch, dass insbesondere Mütter mit Hochschulabschluss besonders häufig in Vollzeit arbeiten möchten. Die Erweiterung vorhandener Teilzeitstellen wird insbesondere von jungen Frauen bevorzugt.
  • Studien belegen, dass Eltern mit einer partnerschaftlichen Arbeitsteilung eher eine vollzeitnahe Tätigkeit als eine Vollzeittätigkeit präferieren. Mit Blick auf eine realistische Fachkräftestrategie ist daher nicht eine Vollzeittätigkeit aller Mütter das Ziel. Als Fachkräftestrategie durch Vereinbarkeit steht vor allem eine Erhöhung der geringen Teilzeitvolumen von Müttern im Fokus. Daher wird im Folgenden ein realistisches Szenario mit einer moderaten Aufstockung der Arbeitsvolumen der Mütter berechnet.

Wesentliche politische Stellschrauben für eine gute Vereinbarkeit sind der Ausbau der Kinderbetreuung, attraktive gesetzliche Rahmenbedingungen für eine partnerschaftliche Arbeitsteilung von Eltern, wie zum Beispiel eine reduzierte Arbeitszeit mit finanziellem Ausgleich sowie die Weiterentwicklung des Elterngeldes.

Unternehmen stehen in der Verantwortung den politischen Rahmen zielführend zu nutzen und Vereinbarkeit im betrieblichen Alltag, sowie im Lebensverlauf zu ermöglichen. Für die Gewinnung und Bindung von Fachkräften sind die Merkmale einer neuen Qualität der Vereinbarkeit besonders von Bedeutung: Verbindlichkeit, Individualität und Selbststeuerung.

 

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