Wochenschau vom 19.11.2021

Wochenschau vom 19.11.2021

Wir fassen zusammen: Die aktuellen Fallzahlen in Deutschland, Die neuen Corona-Maßnahmen im Überblick, Arbeitgebern wird bis Ende März die Hälfte der Sozialversicherungsbeiträge erstattet, Bundesregierung verlängert Coronahilfen, Boosterimpfung für alle ab 18 Jahren – die wichtigsten Fragen und Antworten

In der deutschen Industrie stapeln sich die Aufträge angesichts der Produktionsengpässe so hoch wie noch nie. Der Auftragsbestand wuchs im September um 2,4 Prozent zum Vormonat, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte. Er sei damit seit Juni 2020 kontinuierlich gestiegen und erreiche nunmehr den höchsten Stand seit Beginn dieser Statistik im Januar 2015.

Auch die Reichweite des Auftragsbestands hat sich weiter erhöht und erreichte im September 7,4 Monate - ebenfalls ein neuer Höchststand seit Beginn der Erfassung 2015. Dieser Wert gibt an, wie viele Monate die Betriebe bei gleichbleibendem Umsatz ohne neue Bestellungen theoretisch produzieren müssten, um die vorhandenen Aufträge abzuarbeiten.

Die offenen Bestellungen aus dem Inland erhöhten sich von August auf September um 1,2 Prozent, die aus dem Ausland legten sogar um 3,1 Prozent zu. Im Vergleich zum Februar 2020, dem Monat vor Beginn der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie in Deutschland, liegt der gesamte Auftragsbestand inzwischen um 24,6 Prozent höher.

Was in der Woche passiert ist, fassen wir noch einmal für Sie zusammen.

Die aktuellen Fallzahlen in Deutschland

Aktuell gibt es in Deutschland 532.600 Coronavirus-Infizierte. Das Robert Koch-Institut (RKI) verzeichnete 65.371 Neuinfektionen innerhalb von 24 Stunden. Die 7-Tage-Inzidenz der Neuinfektionen liegt bundesweit aktuell bei 336,9 (Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen, Stand: 18. November 2021, 00:00 Uhr). Regional kann es dabei zu erheblichen Schwankungen kommen. Die 7-Tage-Inzidenz der Hospitalisierung liegt bundesweit aktuell bei 5,30 (Zahl der Krankenhauseinweisungen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen, Stand: 18. November 2021).

Seit Beginn der Pandemie haben sich in Deutschland 5.195.321 Menschen nachweislich mit dem Coronavirus infiziert. Die Zahl der Todesfälle liegt bei 98.538, gegenüber dem Vortag stieg sie um 264. Die Gesamtzahl der verabreichten Impfdosen liegt bei 116,2 Millionen. Am 17. November 2021 wurden 504.000 Impfungen vorgenommen. 70,3 Prozent der Bevölkerung haben nun mindestens eine Impfdosis erhalten, 67,8 Prozent sind vollständig geimpft.

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Die neuen Corona-Maßnahmen im Überblick

Die geschäftsführende Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) macht keinen Hehl aus dem Ernst der Situation: „Die Lage ist hochdramatisch, und es wird jetzt darauf ankommen, dass schnell gehandelt wird, dass konsequent gehandelt wird“, sagte sie am Mittwochabend nach der Bund-Länder-Runde zur Pandemielage in Berlin.

Um die vierte Coronawelle zu brechen, planen Bund und Länder weitgehende Maßnahmen, etwa eine groß angelegte „Booster“-Impfkampagne, eine Impfpflicht in bestimmten Berufen und verschärfte Zugangsregeln. „Nur mit einer gesamtgesellschaftlichen Anstrengung können wir dieses Virus besiegen“, heißt es in dem Beschlusspapier. Merkel bedauerte, dass das Land besser dastehen könnte, „wenn die Impflücke nicht so groß wäre“. Umso wichtiger sei es jetzt aber, entschieden zu handeln.

Am Donnerstagvormittag hatte der Bundestag mit den Stimmen von SPD, FDP und Grünen die Novelle des Infektionsschutzgesetzes beschlossen. Kernpunkt ist, dass die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ am 25. November ausläuft. Gleichzeitig soll es aber einen Katalog neuer Maßnahmen geben, etwa eine 3G-Regel am Arbeitsplatz.

Bund und Länder einigten sich auf eine Reihe von Punkten, die in Teilen bereits im novellierten Infektionsschutzgesetz enthalten sind.

Die wichtigsten Punkte im Überblick

Bund und Länder planen, zentrale Coronamaßnahmen von Schwellenwerten der Hospitalisierungsrate abhängig zu machen. Der Wert gibt an, wie viele Coronapatienten pro 100.000 Personen in den zurückliegenden sieben Tagen ins Krankenhaus eingewiesen werden mussten. Bundesweit liegt der Wert derzeit bei 5,3.

Ab einem Wert von 3 sollen in einem Bundesland Zugangsbeschränkungen für Ungeimpfte (2G) für Einrichtungen, Geschäfte, Veranstaltungen und Restaurants gelten.

Ab einem Wert von 6 soll die 2G-plus-Regel gelten, bei der auch Geimpfte und Genesene einen tagesaktuellen negativen Test benötigen.

Ab einem Wert von 9 können die Länder weiter gehende Coronamaßnahmen beschließen, etwa Kontaktbeschränkungen, die Absage von Großveranstaltungen wie Weihnachtsmärkten und das Schließen von Klubs. Dies war insbesondere der Union wichtig.

Außerdem wird der Bund aufgefordert, schnell eine Impfpflicht für Beschäftigte in medizinischen Berufen umzusetzen. „Wir müssen besonders die vulnerablen Gruppen zusätzlich schützen“, heißt es in dem Beschlusspapier. Und weiter: „Die Länder halten es für erforderlich, dass Angehörige von Heil- und Pflegeberufen und alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Krankenhäusern sowie in Behinderteneinrichtungen aufgrund des engen Kontakts zu vulnerablen Personen verpflichtet werden, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen.“

Außerdem sollen sich alle Mitarbeiter und Besucher in Pflegeheimen täglich testen lassen.

Im öffentlichen Nah- und Fernverkehr soll es eine 3G-Regel geben. Bei Fahrtantritt darf der Test höchstens 24 Stunden alt sein. Für die schärferen Kontrollen sollen die Länder die Bußgeldrahmen „ausschöpfen“, ihrerseits die Kontrolldichte erhöhen und Verstöße entschieden sanktionieren.

Für Arbeit im Betrieb ist ebenfalls die 3G-Regel vorgesehen. Die Arbeitgeber sollen dies kontrollieren, bekommen ein Auskunftsrecht und sollen mindestens zweimal pro Woche kostenfreie Tests anbieten.

Außerdem ist eine groß angelegte Auffrischungs-Impfkampagne geplant. Das Ziel: 27 Millionen Boosterimpfungen in den kommenden fünf Wochen. Dafür sollen die Länder verstärkt auf mobile Impfteams und Impfzentren zurückgreifen. Auch Krankenhäuser sollen miteingebunden werden.

Mit den Regeln wollen Bund und Länder die Kehrtwende in der sich zuspitzenden Coronalage schaffen. Das Robert Koch-Institut (RKI) meldete am Donnerstag mehr als 65.000 Neuinfektionen, die Sieben-Tage-Inzidenz kletterte auf den Wert von 319,6, auf den Intensivstationen werden mittlerweile mehr als 3300 Coronapatienten behandelt.

Nach dem Beschluss sollen alle Bürger ab dem fünften Monat nach Erlangen des vollständigen Impfschutzes eine Boosterimpfung erhalten können. „Das bedarf einer wirklichen großen Kraftanstrengung“, betonte Merkel. Erst am Donnerstag sprach die Ständige Impfkommission (Stiko) eine Empfehlung für die Auffrischungsimpfung für alle Erwachsenen aus, deren Zweitimpfung in der Regel sechs Monate zurückliegt.

Um das Ziel von knapp 30 Millionen Boosterimpfungen bis Jahresende zu erreichen, müssten – Weihnachten herausgerechnet – pro Tag mehr Impfungen durchgeführt werden als zur Hochzeit der Impfkampagne im Sommer, als eine Million Menschen pro Tag geimpft wurden.

Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. In den vergangenen Tagen häuften sich Berichte von Interessierten für eine Auffrischungsimpfung, die von Ärzten weggeschickt wurden oder keinen Termin in den kommenden Wochen erhielten.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) richtete auch einen dramatischen Appell an alle bisher Ungeimpften: Der Grund dafür, dass man mit der Impfkampagne nicht vorankomme, sei, „dass es zu viel Egoismus und zu viel Gleichgültigkeit gibt“. Sich und andere zu schützen sei „überlebenswichtig“, sagte Müller.

Bund und Länder planen nun, ihre Impfangebote massiv auszuweiten – explizit erwähnt werden neben mobilen Impfteams auch Krankenhäuser und Impfzentren. Hierzu soll der Bund die finanzielle Unterstützung bis April 2022 sicherstellen.

Merkel und die Ministerpräsidenten betonten, es gelte, jetzt keine Zeit mehr zu verlieren. Die Tage bis zum 25. November böten noch alle Chancen, die derzeitigen Möglichkeiten des Infektionsschutzgesetzes zu nutzen, sagte Berlins Regierender Bürgermeister Müller.

Die Kanzlerin betonte, dass Maßnahmen, die bis dahin eingeführt würden, noch bis zum 15. Dezember Geltung haben könnten. Dies sei insbesondere für Sachsen wichtig. In dem ostdeutschen Bundesland erreichte die Sieben-Tage-Inzidenz am Donnerstag den Wert von 761.

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Arbeitgebern wird bis Ende März die Hälfte der Sozialversicherungsbeiträge erstattet

Der erleichterte Zugang zum Kurzarbeitergeld soll bis Ende März 2022 verlängert werden. Und den Arbeitgebern werden auch über den Jahreswechsel hinaus die Sozialversicherungsbeiträge für Kurzarbeiter erstattet, allerdings von Januar bis März nicht mehr vollständig, sondern nur noch zur Hälfte.

So sieht es der ergänzte Verordnungsentwurf aus dem Bundesarbeitsministerium vor, der dem Handelsblatt vorliegt. Zuerst hatte die Nachrichtenagentur Reuters darüber berichtet. Das Bundeskabinett soll die Verordnung am 24. November verabschieden. Der Bundesagentur für Arbeit (BA) beschert die Verlängerung im kommenden Jahr Mehrausgaben von 400 Millionen Euro.

Ziel sei, „dass auch im ersten Quartal 2022 Beschäftigungsverhältnisse stabilisiert sowie Arbeitslosigkeit und gegebenenfalls Insolvenzen vermieden werden“, heißt es im Verordnungsentwurf. Statt eines Drittels müssen also weiter nur zehn Prozent der Belegschaft von Arbeitsausfall betroffen sein, damit die Leistung beantragt werden kann. Auch die auf 24 Monate verlängerte maximale Bezugsdauer gilt bis Ende März weiter. Und für Zeitarbeiter kann weiter Kurzarbeit beantragt werden.

Ursprünglich hatte der geschäftsführende Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) geplant, dass ab Januar wieder die Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge für Kurzarbeiter zahlen müssen. Die im Zuge der Coronapandemie eingeführte vollständige Erstattung hat den Haushalt der BA stark belastet. Seit Beginn der Krise hat die Nürnberger Behörde 24 Milliarden Euro für das Kurzarbeitergeld und zusätzlich 18 Milliarden Euro für die Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge ausgegeben.

In einem ersten Verordnungsentwurf, den das Bundesarbeitsministerium schon Anfang November in die Ressortabstimmung gegeben hatte, war die Verlängerung der Erstattung der Sozialabgaben noch nicht erhalten. Die erwarteten Kosten lagen deshalb mit 90 Millionen Euro deutlich niedriger. Laut der Ergänzung sollen die Arbeitgeber nun die Hälfte der Sozialabgaben für Kurzarbeiter zahlen.

Aufstockung des Kurzarbeitergelds wird nicht verlängert

Viele Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften hatten auf eine Verlängerung des erleichterten Zugangs zum Kurzarbeitergeld gedrängt. Zum einen fürchten viele Unternehmen angesichts rasant steigender Infektionszahlen neue Einschränkungen ihrer Geschäftstätigkeit. Die Verlängerung sei „elementar wichtig für die Arbeitsplatzsicherung in unserer Branche“, betonte etwa der Präsident des Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga), Guido Zöllick.

Auf der anderen Seite melden derzeit aber auch viele Industriebetriebe Kurzarbeit an, die ihre Produktion drosseln müssen, weil Halbleiter oder andere Vorprodukte fehlen. Auch dies kann eine Folge der Pandemie sein, weil Chipfabriken zeitweise lahmgelegt oder Transportwege gestört waren. Auch herrscht durch die wirtschaftliche Erholung weltweit große Nachfrage.

Christiane Schönefeld, im BA-Vorstand für Finanzen zuständig, hatte noch am Mittwoch vor Journalisten in Berlin dafür geworben, die Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge auslaufen zu lassen, wenn die Entwicklung eher wieder in Richtung der „normalen“ Kurzarbeit gehe.

Nicht über den Jahreswechsel hinaus verlängern will das Arbeitsministerium die Aufstockung des Kurzarbeitergelds, das normalerweise 60 Prozent des letzten Nettoentgelts beträgt, bei Beschäftigten mit Kindern 67 Prozent. Im Zuge der Krise hatte die Regierung beschlossen, dass die Leistung bei Entgeltausfall von mindestens 50 Prozent ab dem vierten Monat der Bezugsdauer auf 70 beziehungsweise 77 Prozent und ab dem siebten Monat auf 80 beziehungsweise 87 Prozent erhöht wird.

Agentur für Arbeit rechnet mit 900 Millionen Euro Defizit

Die stellvertretende Verdi-Vorsitzende Christine Behle hatte mit Blick auf die Lage beispielsweise in der Luftverkehrsbranche gefordert, dass die Verlängerung der Bezugsdauer auch künftig mit einer Erhöhung des Kurzarbeitergeldes einhergehen müsse. Sonst werde sich die Abwanderung aus der Branche fortsetzen.

Nach einer Umfrage hatten im Sommer 2021 bereits 16 Prozent der Beschäftigten den Luftverkehr seit Beginn der Pandemie verlassen. Besonders alarmierend seien die Zahlen bei den Bodenverkehrsdienstleistern, wo bereits 44 Prozent der Beschäftigten die Unternehmen verlassen hätten.

Die Neuregelung wird den Finanzbedarf der Bundesagentur für Arbeit weiter erhöhen. Laut Schönefeld rechnete die Behörde vor der jetzt geplanten Neuregelung für das kommende Jahr mit einem Defizit von rund 900 Millionen Euro. Die BA hofft, dass der Bund das nötige Geld zur Deckung der Ausgaben erneut als Zuschuss gibt und nicht wie vor der Coronakrise nur als Darlehen..

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Bundesregierung verlängert Coronahilfen

Besonders belastete Unternehmen bekommen in der Corona-Krise länger Wirtschaftshilfen. Der Bund verlängert die bisher bis Jahresende befristete Überbrückungshilfe III Plus bis Ende März 2022, wie aus dem Beschlusspapier der Beratungen von Bund und Ländern vom Donnerstag hervorgeht.

Die Bundesregierung hat sich zudem darauf geeinigt, den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) bis Mitte 2022 aufrechtzuerhalten. Das sagten mehrere mit den Verhandlungen betraute Personen dem Handelsblatt. Der Fonds stellt ein Volumen von bis zu 600 Milliarden Euro für direkte Staatseinstiege und Kreditgarantien zur Verfügung. Unter anderem die Lufthansa wurde über den WSF mit Milliarden bezuschusst.

Trotz möglicher neuer Beschränkungen war die Verlängerung der Hilfen, mit denen der Staat Unternehmen und Selbstständigen durch die Corona-Einschränkungen bedingte Umsatzeinbrüche abfedern will, zwischenzeitlich nicht klar. Altmaier hatte sich schon vergangene Woche für eine Verlängerung der Überbrückungshilfe ausgesprochen. Doch weil die Hilfen den Haushalt des kommenden Jahres betreffen, müssen SPD, Grüne und FDP zustimmen.

In der sich anbahnenden Ampelkoalition hatte es Widerstand gegeben. Insbesondere der designierte Kanzler Olaf Scholz soll nach Handelsblatt-Informationen eine sofortige Verlängerung der Hilfen zunächst gebremst haben. Bernd Westphal, der in der vergangenen Legislatur wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD war, hatte gesagt, die Einführung einer 2G-Regelung könne sich auch umsatzstärkend auswirken. 2G würde nur noch Geimpften und Genesenen den Zugang zu Restaurants oder Geschäften erlauben.

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Boosterimpfung für alle ab 18 Jahren – die wichtigsten Fragen und Antworten

Die Ständige Impfkommission (Stiko) hat am Donnerstag ihre Empfehlung für eine Corona-Auffrischungsimpfung erweitert. Das Gremium empfiehlt nun ab sofort allen Personen ab 18 Jahren die sogenannte Boosterimpfung. Bislang hatte die Stiko lediglich Auffrischimpfungen für Menschen über 70 Jahren und besonders gefährdete Personen befürwortet. Darüber hinaus ruft die Kommission alle bisher Nichtgeimpften dringend auf, das Covid-19-Impfangebot wahrzunehmen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Warum ist eine Boosterimpfung sinnvoll?

Laut Stiko soll die Auffrischimpfung in der Regel im Abstand von sechs Monaten zur letzten Impfdosis der Grundimmunisierung erfolgen. Die Auffrischungsimpfung ist sinnvoll, weil mit der Zeit der Impfschutz nachlässt, wie mittlerweile zahlreiche Analysen und klinische Studien gezeigt haben. Mit sinkendem Impfschutz steigt die Wahrscheinlichkeit, sich mit dem Coronavirus zu infizieren und zu erkranken, wobei das Risiko bei älteren Menschen höher ist.

Die Europäische Kommission hatte bereits im Oktober die beiden mRNA-Impfstoffe von Biontech und Moderna als Boosterimpfungen zugelassen. Die Stiko hatte daraufhin zunächst eine Auffrischungsimpfung vor allem für Menschen ab 70 Jahren, Personen mit Immunschwäche und für Personal in medizinischen Einrichtungen empfohlen. Diesen Gruppen sollen auch weiterhin vorrangig eine Boosterimpfung angeboten werden, so die Stiko.

Ziel der Ausweitung der bestehenden Impfempfehlung ist auch, die Übertragung des Sars-CoV-2-Virus in der Bevölkerung abzuschwächen und zusätzliche schwere Erkrankungs- und Todesfälle zu verhindern. „Durchbruchsinfektionen führen bei alten Menschen häufiger als bei jüngeren zu einer schweren Erkrankung, die eine intensivmedizinische Behandlung notwendig macht“, so die Stiko.

Unabhängig davon, welcher Impfstoff zuvor verwendet wurde, soll für die Auffrischimpfung ein mRNA-Impfstoff verwendet werden, also entweder Comirnaty von Biontech und Pfizer oder Spikevax von Moderna.

Personen, die die Grundimmunisierung mit dem Vektorimpfstoff von Astra-Zeneca erhalten haben, wird daher ebenfalls sechs Monate nach Gabe der zweiten Dosis eine Auffrischungsimpfung mit einem mRNA-Impfstoff angeboten.

Allen Menschen, die den Vektorimpfstoff von Johnson & Johnson bekommen haben, empfiehlt die Kommission, ab vier Wochen nach der Einmalimpfung ihren Schutz mit einer Dosis mRNA-Impfstoff zu verbessern – wegen einer vergleichsweise geringen Wirksamkeit des Vakzins gegenüber der mittlerweile dominierenden, aggressiven Delta-Variante des Coronavirus.

Warum empfiehlt die Stiko die Boosterimpfung für Menschen ab 18 erst jetzt?

Die Stiko wägt auf Basis von vorliegenden Daten vor allem Nutzen und Risiko einer solchen Impfung für den Einzelnen ab. So ging sie auch bei der Impfung für Kinder und Jugendliche vor, die sie zum breiten Einsatz erst empfahl, als ausreichend Daten zur Sicherheitseinschätzung vorlagen.

Die Datenlage zu Boosterimpfungen etwa aus Studien in Israel hatte zunächst vor allem einen hohen Nutzen für ältere Menschen gezeigt. Allerdings hatte die Stiko bereits Anfang November eine Anpassung ihrer Empfehlung in Aussicht gestellt, und zwar unter Berücksichtigung der aktuellen epidemischen Lage, neuer Erkenntnisse zur Verhinderung der Übertragung des Virus sowie von sogenannten Real-World-Daten anderer Länder zum Einfluss von Auffrischimpfungen auf die Infektionszahlen.

Für den Weltärztebund-Vorsitzenden Frank Ulrich Montgomery dauern die Abläufe bei der Bekämpfung der Pandemie zu lange. In diesem Zusammenhang kritisierte Montgomery die Stiko. Diese leiste zwar prinzipiell sehr gute Arbeit, „aber sie hätte sich auch ein bisschen mehr beeilen können. Man muss manchmal auch von seinem wissenschaftlichen Pferd heruntersteigen, um schnell der Bevölkerung zu helfen“, so der Weltärzte-Chef im Fernsehsender Phoenix.

Ständig sei man gegenüber anderen Ländern wie Israel, den USA und England im Hintertreffen und vollziehe die dort getroffenen Entscheidungen mit etlicher Verzögerung. „Darüber muss die Stiko nachdenken, ob sie nicht ein schnelleres Verfahren findet, denn die anderen Länder machen es uns vor – und führen uns vor“, so Montgomery weiter.

In der politischen Diskussion gab und gibt es unterschiedliche Meinungen über das Vorgehen bei den Boosterimpfungen. Der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) plädierte bereits vor Wochen dafür, allen Menschen ab 18 Jahren die Auffrischungsimpfung nach sechs Monaten zu ermöglichen.

Der Vorsitzende des Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, meint, dass das bei weniger gefährdeten jüngeren gesunden Menschen nach bisherigen medizinischen Erkenntnissen nicht erforderlich sei, auf den Tag genau nach sechs Monaten eine Boosterimpfung durchzuführen, sagte er den Zeitungen der Funke-Gruppe. Auch bei der dritten Impfung gelte es, die Gefährdeten besonders im Auge zu behalten. Zudem hätten viel zu viele Menschen noch nicht einmal die Erstimpfung erhalten.

Gibt es genügend Impfstoff?

Mit der neuen Stiko-Empfehlung vergrößert sich die Zahl der nötigen Drittimpfungen um mehrere Millionen Menschen. Unter der Annahme, dass der Impfschutz nach sechs Monaten aufgefrischt werden muss, müssen nun 30 Millionen Menschen die Boosterimpfung bis Ende des Jahres erhalten.

Laut Gesundheitsminister Spahn gibt es aber auch für Boosterimpfungen ausreichend Impfstoff. Laut Lieferprognose der Bundesregierung sollen im vierten Quartal rund 25,8 Millionen Dosen Biontech-Impfstoff nach Deutschland geliefert werden und 47,2 Millionen Dosen des Moderna-Impfstoffs. Allein im Dezember werden rund drei Millionen Dosen des Biontech-Mittels geliefert und 30 Millionen Dosen des Moderna-Vakzins.

Für 2022 plant die Bundesregierung laut Zahlen aus dem Sommer mit mehr als 84 Millionen Dosen des Biontech-Impfstoffs und knapp 32 Millionen Dosen von Moderna.

Gibt es ausreichend Impfärzte? Wo kann man noch geimpft werden?

Wenn man zu den 30 Millionen Boosterimpfungen noch die offenen Erst- und Zweitimpfungen rechnet, müssten bis Jahresende – Weihnachten herausgerechnet – pro Tag mehr Impfungen durchgeführt werden als zur Hochzeit der Impfkampagne im Sommer, als eine Million Menschen pro Tag geimpft wurden.

Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. In den vergangenen Tagen häuften sich Berichte von Interessierten für eine Auffrischimpfung, die von Ärzten weggeschickt wurden oder keinen Termin in den kommenden Wochen erhielten.

In Deutschland haben laut Robert Koch-Institut erst rund 5,7 Prozent der Bevölkerung eine dritte Impfung erhalten – bislang vor allem in Arztpraxen. Laut dem Zentralinstitut der kassenärztlichen Versorgung (ZI) entfielen 72 Prozent der Impfungen auf Hausärzte.

„Das Impftempo wird vor allem durch die niedergelassenen Ärzte bestimmt und nimmt weiter zu“, sagte ZI-Chef Dominik Stillfried dem Handelsblatt. „Wichtig ist, dies jetzt weiter zu unterstützen.“ Neben der Unterstützung der Länder etwa durch mobile Impfteams brauche es vor allem verlässliche Rahmenbedingungen. „Der klare Fokus auf die vulnerablen Gruppen ist für November und Dezember entscheidend“, sagte Stillfried. „Die Kapazitäten dafür sind gegeben, Impfstoff ist ausreichend vorhanden.“

Bund und Länder wollen darüber hinaus am Donnerstag zusätzliche Maßnahmen beschließen, um die Impfkampagne zu beschleunigen. Laut erstem Beschlussentwurf wollen sie das Impfangebot ausweiten – explizit erwähnt werden in dem Papier neben mobilen Impfteams auch Krankenhäuser und Impfzentren. Hierzu soll der Bund die finanzielle Unterstützung bis April 2022 sicherstellen.

Welchen Einfluss könnten breit angelegte Boosterimpfungen auf das Pandemiegeschehen haben?

Auffrischungsimpfungen auf breiter Front können nach Ansicht eines Berliner Corona-Modellierers den Trend der stark steigenden Inzidenzen umkehren. „Wir sehen in den Simulationen deutlich infektionsreduzierende Effekte, sobald circa 30 Prozent der Bevölkerung den Booster erhalten haben“, sagte Kai Nagel von der Technischen Universität Berlin, am Mittwoch den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Voraussetzung dafür sei, entsprechende Impfkapazitäten zu schaffen. „Optimalerweise würden wir wieder wie im Sommer mindestens ein Prozent der Bevölkerung pro Tag mit dem Booster impfen“, sagte Nagel. Würden diese 30 Prozent deutlich vor Weihnachten erreicht, dann bestünden Aussichten auf sinkende Inzidenzen zu den Feiertagen.

Ähnliche Aussagen macht Christian Karagiannidis, Leiter des Intensivregisters der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi). Eine Million Auffrischimpfungen pro Tag seien nötig, um die Ausbreitung des Virus deutlich zu reduzieren, sagte Karagiannidis im NDR-Podcast „Das Coronavirus-Update“. „Davon sind wir im Moment weit entfernt.“

Einen Effekt der Boosterimpfungen könne man aber frühestens in vier Wochen erwarten. Er gehe davon aus, dass die vierte Welle erst im Frühjahr kommenden Jahres auslaufen werde.

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